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Das Unschuldslamm

Bill Gates kann sich absolut nicht erklären, warum es zu seiner Person Verschwörungstheorien gibt — eine kleine Gedächtnisstütze.

von

  • Milosz Matuschek

Ende Februar bot die Sendung Maischberger (1) einem der reichsten Männer der Welt, Bill Gates, die Gelegenheit für ein 45-minütiges Interview. Hintergrund ist, dass Bill Gates nun auch ein Buch zum Klimawandel geschrieben hat, welches Mitte Februar erschienen ist. Er war sozusagen auf Buch-Werbetour. Nach Corona ist nun das Klima an der Reihe. Sandra Maischberger sprach Bill Gates auch auf seine Rolle bei der Impfkampagne an. Konkret fragte sie nach Gerüchten, wonach Menschen in Nigeria nach Polio-Impfungen unfruchtbar geworden seien und manche fürchteten, er wolle Menschen per Nanochips in den Impfstoffen „besser überwachen“. Und überhaupt: Sei es denn so weit hergeholt, dass er vom Impfstoffverkauf auch profitieren wolle? Gates wusch — wie nicht anders zu erwarten — seine Hände in Unschuld. Wie würde es klingen, spräche der Microsoft-Mogul plötzlich die unverhüllte Wahrheit? Der Autor wagt ein Gedankenexperiment.


Stellen wir uns jetzt kurz vor, wir befinden uns in John Carpenters Filmklassiker „They live“, in welcher der Protagonist durch das Aufsetzen einer besonderen Sonnenbrille …

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Screenshot, John Carpenter („They live“)

… plötzlich die echten Botschaften hinter der Werbung und das wahre Gesicht mancher Menschen erkennt.

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Screenshot: Die Welt durch die Brille aus Carpenters „They live“

„Schauen Sie, vor ein paar Jahren hatte ich ein kleines Imageproblem. Ich stand in der Kritik als Softwaremonopolist, musste mich vor Ausschüssen verantworten. Ich beschloss dann, mein Image dadurch etwas aufzubessern, in dem ich in den Sektor des Philantrokapitalismus wechselte. Ich merkte, dass es viel einfacher war, die halbe Welt zu etwas zu bringen, was ich wollte, wenn ich durch meine ‚Bill and Melinda Gates Stiftung‘ agierte.

Manche finden das etwas seltsam, weil ich, nun ja, als größter privater Einzelspender die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation mitbestimme und natürlich auch in der wissenschaftlichen Forschung, sagen wir mal, Akzente setze. Im Januar 2010 rief ich die Dekade der Impfstoffe aus, das lief auch so halbwegs, am Ende der Dekade war ich laut Spiegel mit 22 Milliarden Dollar in Impfstoffen investiert. Und ich hatte unverschämtes Glück, wissen Sie: Im September 2019 habe ich neben zahlreichen Firmen noch in BioNtech investiert, eine Firma, die bis dato noch nie einen Impfstoff produziert hat. Im Oktober 2019 förderte ich dann in New York ein Planspiel für einen Coronavirus-Ausbruch und zwei Monate später, wie der Zufall eben so spielt, brach dann Sars-Cov-2 in Wuhan aus. Das kam gerade noch rechtzeitig, die Dekade war ja fast um. Spätestens im Dezember 2019 spürte ich, dass sich das mit den Impfstoffen wohl bald lohnen könnte.

Ich meine, wundert Sie, dass das manchen Leuten seltsam zufällig vorkommt? Zugegeben, Frau Maischberger, das müssen Sie erst mal hinkriegen:

  • Im September 2019 in ein No-Name-Impfstoff-Unternehmen investieren, welches dann
  • just als erstes im Januar 2020 einen Impfstoff gegen ein neuartiges Coronavirus entwickelt, das im Dezember erst ausgebrochen ist.
  • Und dieses Unternehmen bekommt dann auch noch Ende 2020 mit als erstes die vorläufige Zulassung für den, neben Moderna, hochpreisigsten Stoff.

Dann sind da natürlich noch die ganzen grundsätzlichen Interessenskonflikte. Ich sponsere zum Beispiel die Schweizer Impfstoffzulassungsbehörde Swissmedic, während ich zugleich bei der WHO Geld für bestimmte Impfstoffkampagnen bezahle, die Impfstoffallianz GAVI ins Leben gerufen habe (die in der Schweiz glücklicherweise Immunität genießt), über beide Ohren in Impfstoffen investiert bin und nebenher nicht müde werde, aller Welt zu erklären, dass bald alle acht Milliarden Menschen geimpft sein werden.

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Wer würde da keine kritischen Fragen stellen?

Allein, dass Sie mich jetzt über Impfstoffe und den Klimawandel ausfragen, zwei Gebiete, für die ich keinerlei formelle Ausbildung oder Expertise habe, außer meiner Investments, sollte einem doch schon seltsam vorkommen, oder? Und dass ich jetzt die ganze Welt virenfrei bekommen will, was schon bei meinem Betriebssystem Windows nicht geklappt hat, macht es vielen Menschen noch schwerer, mit mir klarzukommen.

Danke übrigens an dieser Stelle, dass Sie nicht kritischer nachbohren. Manche würden jetzt sagen, das liege daran, dass ich den Journalismus inzwischen auch „unterstütze“, zuletzt waren das 250 Millionen Dollar, die unter anderem an Spiegel Online, CNN, BBC, Guardian, Le Monde und auch die ZEIT flossen. Ich würde es gerne als Verschwörungstheorie abtun, leider muss ich derartiges in meinen Investmentberichten aufzählen, allein der von 2019 hat 1.143 Seiten. Dort finden sich auch die Zahlungen zum Beispiel an das Robert-Koch-Institut, die Helmholtz-Gesellschaft, die Max Planck Gesellschaft, die Charité Berlin, zahlreiche Universitäten — oft also Institutionen, aus denen, welch Wunder, die Experten stammen, die gerade in Sachen Corona das Sagen haben. Auch das führte bisher nicht zu kritischen Nachfragen.

Hoffentlich bleibt das so! Dann könnte ich bald die Sonne verdunkeln, künstliches Fleisch aus Soja herstellen, denn der größte Eigentümer von Farmland in den USA bin ich inzwischen auch, oder aber ich rette im Alleingang das Klima durch die neuen Atomkraftwerke, in die ich investiert bin, China ist schon interessiert. Die Rockefeller Stiftung fördere ich übrigens auch großzügig, die haben´s nötig, wissen Sie, vielleicht könnte Microsoft ja behilflich sein bei der Entwicklung privater Identitätslösungen, Immunitätsnachweisen, Impfpässen und ähnlichem, Stichwort ID 2020, haben Sie vielleicht schon gehört.

Auch dass ich gerne von Bevölkerungsreduktion rede, manchmal sogar in Zusammenhang mit Impfungen, verwirrt manche. Mein Vater war Gründungsmitglied bei Planned Parenthood, wissen Sie, das liegt also bei mir etwas in den Genen. Und wenn Ihnen das jetzt etwas komisch vorkommt, dass ich einerseits für eine Bevölkerungsreduktion bin und andererseits Menschenleben durch Impfungen rette, kann ich nur sagen: es klingt tatsächlich paradox, ist aber fantastisch sich vorzustellen, dass die Bevölkerungszahl sinkt, je mehr Menschenleben wir retten! Logisch, oder? Irgendwie hält das dann nämlich Menschen davon ab, sich zu vermehren, verstehen Sie? Falls nicht, habe ich jetzt mein Gesicht für Sie, das ich immer dann zeige, wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich mit etwas durchkomme. Alles klar?

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Screenshot: Bill Gates im Interview mit Sandra Maischberger

Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ob ich bei alldem, was ich sonst noch mache, auch noch Nanochips in Impfstoffe schmuggle: Wen kümmert das denn noch?“

Nun setzen wir die Brille wieder ab. Denn leider sagte Bill Gates etwas anderes, nämlich unter anderem dies:

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Screenshot: Die Welt durch die Brille aus Carpenters „They live“

„Einige Dinge sind so abgedreht, dass es schwer ist, eine Antwort zu formulieren.“


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Keine weiteren Fragen, Herr Gates“ auf dem Blog „Freischwebende Intelligenz“ von Milosz Matuschek.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.youtube.com/watch?v=5_pFlAXp-xk